Explodierende Bodenpreise verringern den Lebensstandard der Menschen spürbar – bis hin zu einem Leben in Armut – und unterwandern das Vertrauen in die Demokratie – es geht auch anders.

In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil des Bodenpreises in Bauprojekten von wenigen Prozenten auf ein Viertel oder auch mehr gestiegen. Mit jedem Euro Miete zahlt Mensch somit einen erheblichen Teil für die Bodenrendite eines anderen, der dafür wenig tun musste. Darum ist die Forderung der Bodenreformbewegung, Boden als Gemeingut zu betrachten, aktuell wie nie.

In weitem Maße bestimmen allein Bodeneigentümer:innen, was mit dem Boden passiert, und entziehen somit einen Großteil der Stadtentwicklung demokratischer Willensbildung. Ein Ergebnis dieser Entwicklung: die Preise für Bauen und Wohnen werden in die Höhe getrieben. Bis vor wenigen Jahren löste man das Problem vor allem damit, sich einfach weiter auszubreiten, doch ist der Boden verteilt und eine weitere Versiegelung ein ökologisches Desaster.

Daher braucht es einen neuen Umgang mit dem Boden, auf allen Ebenen. Die Kommune kann viel dazu beitragen. Deshalb gibt es #BodenwendeKöln, damit wir gemeinsam den Umgang mit dem Boden an dem Ort gestalten, wo er hingehört, in unserer Mitte.

Hintergrund

Wir sind es gewohnt, dass der Besitz des Bodens und seine Nutzung / Bewirtschaftung eng miteinander verknüpft sind. D.h. wer eine Immobilie zu einem bestimmten Zweck errichten will, muss dafür in der Regel ein Grundstück erwerben, um darauf die geplante Immobilie zu bauen. Doch ist das nur eine Möglichkeit. Zu diesem Modell gibt es schon lange die Alternative, dass der Boden dem einem, die Nutzung darauf jemand anderem gehört. Wie genutzt wird und wie lange, wird zwischen den Parteien vereinbart. Die Nutzerin hat klare, langfristige Rahmenbedingungen und kann die Aufbauten und die Rechte weitgehend weiterverkaufen, so geschieht es im Erbbaurecht.

Ist der Boden in öffentlicher Hand oder in Hand derer, die anderweitig dem Gemeinwohl verpflichtet sind, kann die Spekulation mit Boden verhindert werden und nach Ablauf der Nutzungszeit auch neu darüber entschieden werden, was nun die richtige Nutzung an diesem Ort ist. Heute entscheiden dies meist private Eigentümer, nach ihren Interessen. Weil Erbbaurechte befristet sind, wird Boden auch immer wieder für Neues verfügbar. So bleib die Nutzung effektiv und es muss weniger neuer Boden in Anspruch genommen werden.

Ist der Boden in privater Hand und knapp, lohnt es sich für den Eigentümer auch nicht zu investieren, denn sein Grundstückswert steigt, durch die konkurrierende Nachfrage auch so. Er muss in diesem Fall nichts weiter tun als den Boden liegen zu lassen, damit verdient er Geld, ohne etwas zu leisten. Besonders profitabel ist das Geschäft mit dem Boden dann, wenn seine  Nutzung aufgewertet werden soll: im wirtschaftlichen Sinne, wenn aus landwirtschaftlichem Boden Bauland oder aus billigerem industriellem Bauland Wohnbauland wird. Immer dann verdient der Eigentümer erheblich, ohne mehr zu tun, als die Kontrolle über den Boden zu besitzen. Das passiert regelmäßig und kann an einem jüngeren Fall in Köln besonders gut nachvollzogen werden. Aus weniger als 180€/m² werden ungefähr 1.500€/m² und das für eine Fläche von über 120.000m². Diese 158Mio.€ Wertsteigerung muss jemand bezahlen. In der Regel sind das die Mieter:innen und Käufer:innen, die, wenn auf diesem Grundstück Wohnungen gebaut werden, in diese durch Bodenspekulation teuer gewordenen Wohnungen ziehen. Immer weniger können sich das leisten, doch für viele muss der Staat und damit der Bürger mit Millionenbeträgen dagegen an subventionieren, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Gegen vieles davon kann die Kommune etwas tun, bei manchem muss sie dem Gesetzgeber auf die Füße treten. Mit #BodenwendeKöln konzentrieren wir uns auf das Erstere, denn da gibt es noch viel für Köln zu erreichen. Vielleicht nehmen sich ja auch Nachbarkommunen dieser Ideen an?

Unsere Empfehlungen an Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft

Um die Herausforderungen des Wohnungsmarkts durch Stadtentwicklung zu begegnen, also dem wohl der Bürger:innen langfristig und nachhaltig zu dienen, sind einige neue und veränderte Vorgehensweisen erforderlich. Vieles davon sind best-practices andernorsts oder Umsetzungsvorschlöge von Konzepten, die in der Bodenreformbewegung befürwortet werden, für Köln.

Wir benötigen eine Verwaltung, die im Sinne eines integralen Nachhaltigkeitsverständnisses die bestehenden Beschlüsse umsetzt und Erkenntnisse anwendet. Proaktiv und über Ressortgrenzen hinweg sind die stadtentwicklungspolitischen Ziele zu verfolgen. Dazu eine politische Kultur, die nicht nur Beschlüsse fasst, sondern auch deren Umsetzung überwacht.

Erläuterung: Beschlüsse sind nur so viel Wert, wie ihre Umsetzung. Wann es am Willen, wann an Strukturen liegt ist für BürgerInnen und wohl auch intern oft nicht klar. Klar aber ist, dass die Beschlusslage deutlich fortschrittlicher ist, als das Handeln von Verwaltung und Politik. Würden die bestehenden Beschlüsse und Haltungen aus dem Stadtentwicklungskonzept Wohnen, den Kölner Perspektiven 2030+, den Begründungen zu den Erbbaurechtsgrundsatzbeschlüssen für Wohn- und Nichtwohnnutzungen, oder dem KölnKatalog konsequenter umgesetzt, wäre für die Stadt und ihre Menschen viel gewonnen.

Wir empfehlen eine politische Haltung zu entwickeln, die das Thema Boden in seiner Tragweite und als Generationenverantwortung erkennt, nicht als Parteipräferenz. Zu den wesentlichen Grundzügen ist ein parteiübergreifender langfristiger Konsens zu erzielen, der in einer Bodensatzung für Köln münden muss, der Änderungen der Leitlinien nur durch aktiven politischen Beschluss zulässt.

Erläuterung: Fragen der Daseinsfürsorge für alle, gerade, wenn sie Generationen betreffen, erlauben oft einen überparteilichen Konsens. Die hier dargestellte Sicht auf die Bodenfrage wird immer noch in Klientellogiken gedacht, nicht im Sinne des Gemeinwohls. Dabei lässt sich schon seit langem beobachten, dass Menschen unterschiedlichster Parteikulör die Notwendigkeit des Handelns sehen und hier auch in Verantwortung gehen.
Es gibt genügend Beispiele, auch in konservativ regierten Städten, die mit Baulandbeschlüssen, Vorkaufsrechten und Zwischenerwerb durch die die Kommunen für weit mehr sozialen Ausgleich sorgen. Wir brauchen keine Stadt der Reichen und keine, die das Geld weiter von unten nach oben verteilt und damit die Grundlagen für eine chancengerechte Stadt untergräbt.


Wir empfehlen die systematische Ausübung von Vorkaufsrechten mit einer Strategie zur Preisdämpfung, zusammen mit der Erlassung von Vorkaufssatzungen, wo Stadtteile gefährdet sind, durch Aufwertungen zur Verdrängung und Bereicherung zu führen.

Erläuterung: Es wäre hier an der Zeit, dass die Kommunen in ihren Rechten gestärkt würden, Boden, den sie für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung benötigen, anzukaufen, zu fairen Preisen, aber ohne dem Verkäufer Riesenmargen mitgeben zu müssen. Bis dahin wäre es ein Fortschritt, wenn die Stadt dort, wo sich die Gelegenheit bietet, ihre bestehenden Rechte ausüben würde. So hätte es im Otto&Langen-Quartier geschehen müssen, so kann es durch Vorkaufssatzungen in Stadtteilen passieren, die unter Veränderungsdruck stehen. Handwerklich sauber muss es sein, damit es gerichtlicher Überprüfung standhält; Dann kann man auch die Vorkaufsrechte zu Gunsten Dritter ausüben, die sich zur Einhaltung städtischer Ziele verpflichten.

Wir empfehlen die Unterstützung des Aufbaus einer zivilgesellschaftlichen Stadtbodenstiftung, als innovativer zweiter Kraft in der Bodenfrage. Diese ist mit initialem Grundvermögen und der Andienung von Grundstücken z.B. aus Vorkaufsrechten zu stärken. Das Modell des Community-Landtrusts, dass z.B. in der Stadtbodenstiftung Berlin auch in Deutschland Entsprechungen hat, gilt hierbei als Blaupause.

Erläuterung: Verwaltung kann im Rahmen politischer Weichenstellungen und durch ihre Ressourcen gutes, verantwortliches Bodenmanagement betreiben und damit strategische Stadtentwicklungsziele operationalisieren. Diese Ziele sind Ergebnis von Aushandlungsprozessen und spiegeln damit den Kompromissstand in einer komplexen Gesellschaft. Ihre Möglichkeit kreativ zu sein, Innovationen hervorzubringen und neue Herangehensweisen zu erkunden, ist damit begrenzt. Auch sind sehr spezielle Konstellationen in relativ standardisierten Verfahren nicht abbildbar. Daher benötigt eine Stadt auch kreative Konkurrenz, um neue Wege beschreiten zu können und im Sinne des kooperativen Wettbewerbs, einem Ausdruck aus der Clustertheorie (Co-Competition) selbst zu wachsen. Und manchmal braucht es auch einfach eine andere Organisation, um Projekte zu machen, für die es keine Ressourcen gibt

Wir empfehlen die Gründung mindestens einer städtische Bau-Gesellschaft, die im Sinne eines integralen Gemeinwohlbegriffs, gemäß stadtentwicklungspolitischen Zielen, baut und als Bestandhalter Quartiere in ihrem Kern stabilisiert.

Erläuterung: Die Stadt Köln verfügt über keine städtische Wohnungsbaugesellschaft, die Ziele der Stadtentwicklung aus eigener Kraft umsetzt. In begrenztem Umfang betreibt sie Wohnungsbau, aber nur, um eigene Mitarbeitende zu versorgen. Die GAG ist als Aktiengesellschaft nicht an städtische Ziele gebunden und obwohl sie etliche Projekte im Sinne der Stadt betreibt, ist sie durch aktienrechtliche Bedingungen nicht geeignet, Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Da ein Rückkauf der im Streubesitz befindlichen Aktien aus Kostengründen (steuerlich) auszuschließen ist, benötigt es auch dem Gemeinwohl verpflichtete städtische Baugesellschaften (siehe u.a. GBG Mannheim, die wegen ihrer preisdämpfenden Wirkung von der Immobilienwirtschaft kritisiert wird). Die bestehenden Altgenossenschaften sind zwar ebenso wichtige Akteure, doch sind sie in erster Linie dem Wohl ihrer Mitglieder verpflichtet und können daher nur Teile der wohnungspolitischen Anforderungen erfüllen

Wir empfehlen dringend die Einbeziehung der Grundstücksressourcen in städtischen Beteiligungen, nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für Grundstücke im direkten städtischem Eigentum gelten.

Erläuterung: Die Stadt selbst besitzt nur eine überschaubares Bodenvermögen, über das nach stadtentwicklungspolitischen Zielen entschieden werden kann. Dies befindet sich überwiegend in großen Entwicklungsgebieten, deren Entwicklung viele Jahre in Anspruch nimmt. Darüber hinaus gibt es in den städtischen Gesellschaften Grundvermögen, das aber nicht gemäß städtischen Zielen, sondern eher gemäß den wirtschaftlichen Zielen der Tochtergesellschaften verwaltet wird. Dies wird z.B. daran deutlich, dass im Deutzer Hafen Grundstücke der Hafengesellschaft (HGK) über die Entwicklungsgesellschaft Moderne Stadt privatisiert werden oder, dass im Max-Becker-Areal der verbliebene Grundstücksanteil der Rheinenergie Gefahr läuft, in die Verwertungslogik des Hauptentwicklers Pandion eingegliedert zu werden. Dies und ähnliche Grundstücke, deren Umfang der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, weil sie wie private Gesellschaften behandelt werden, sind für die Stadtentwicklung wichtige und ggf. schneller zu erschließende Ressourcen. Und es ist politisch nicht erklärbar, warum dieses Vermögen nicht nach den gleichen Grundsätzen behandelt wird wie direkt städtisches.

Wir raten zur systematischen Stärkung neuer, gemeinwohlorientierter ProjektemacherInnen, sei es als junge Genossenschaft, Verein oder Stiftung, sofern sie gewisse Ziele verbindlich verankert haben. Hierzu zählt die exklusive Verfügbarmachung von Grundstücken zu leistbaren Konditionen, die Abfederung von Risiken und der kooperative Dialog in der Entwicklung. Eine förderliche Begleitung durch die Planungs- und Genehmigungsprozesse ergänzt dies im Sinne einer Realisierung, die als partnerschaftliches Ziel betrachtet wird. Es ist anzustreben, durch diese Akteure schnellstmöglich ein Anteil von 20% in neuen Entwicklungen zu erreichen, was einen umgehenden Einstieg in neue Projekte bedingt.

Erläuterung: Das Gemeinwohl wurde, in einem Glauben an den Markt, aus der Wohnungswirtschaft weitgehend verdrängt. Der überwiegende Teil der Wohnungswirtschaft vertritt rein kommerzielle Interessen und reproduziert veraltete Standards zu hohen Kosten. Ein wichtiger Impulsgeber für neue Formen des Wohnens, die gemeinschaftlicher, sozialer, nachhaltiger und inklusiver sind, sind in zivilgesellschaftlicher Eigenverantwortung entwickelte Projekte. In gemeinwohlfähigen Rechtsformen (eG, MHS, e.V. oder Stiftungen) haben sie sich in viele Städten bereits als Innovationstreiber bewährt und färben langfristig auch auf konventionelle Akteure ab, wenn die städtisch gesetzten Rahmenbedingungen dies unterstützen, z.B. in Konzeptverfahren